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Ballett von John Neumeier
Duse
Choreografische Phantasien über Eleonora Duse
Eleonora Duse war eine der prägenden Theaterpersönlichkeiten an der Wende zum 20. Jahrhundert. Getrieben von dem Wunsch, die Schauspielkunst auf ein neues Niveau zu heben, setzte sie ihr Gewicht als berühmte Schauspielerin und Unternehmerin dafür ein, moderne Autoren wie Henrik Ibsen und Gabriele D’Annunzio in beispielhaften Inszenierungen bekannt zu machen. Mit ihrer als revolutionär empfundenen, "natürlichen" Schauspielkunst wurde "die Duse" auf der ganzen Welt von Publikum und Kritikern gefeiert.
John Neumeier nimmt das Leben dieser großen Schauspielerin, die so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Rainer Maria Rilke, Isadora Duncan, Konstantin Stanislawski und Marilyn Monroe inspirierte, zum Ausgangspunkt für seine aktuelle Neukreation. Fasziniert von der legendären Ausstrahlung der Duse und ihrer bedingungslosen Suche nach einem idealen Theater entwickelt er "choreografische Phantasien", die seinen persönlichen Zugang zu ihrer Biographie widerspiegeln. In Abgrenzung zu einem dokumentarischen Ansatz stellt John Neumeier die mythische Seite ihrer geistigen Entwicklung ins Zentrum seines Balletts und macht auf diese Weise den Persönlichkeitskern dieser einzigartigen Frau für heutige Zuschauer transparent.
Die ausdrucksvolle Titelfigur wird von Alessandra Ferri verkörpert (3. und 5. November 2017; 29. Juni 2018), die – wie die Duse – inzwischen selbst zu einer Ikone ihrer Zeit geworden ist.
Musik: Benjamin Britten, Arvo Pärt
Choreografie, Bühnenbild, Licht und Kostüme: John Neumeier
Unterstützt durch Else Schnabel und die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper
2 Stunden 30 Minuten | 1 Pause
1. Teil: 90 Minuten, 2. Teil: 35 Minuten
PREMIERE:
Hamburg Ballett, Hamburg, 6. Dezember 2015
ORIGINALBESETZUNG:
Eleonora Duse: Alessandra Ferri
Die Dienerin (Désirée von Wertheimstein): Hélène Bouchet
Der Soldat (Luciano Nicastro): Alexandr Trusch
Sein Freund (Annunzio Cervi): Jacopo Bellussi
Der Mentor (Arrigo Boito): Carsten Jung
Der Verführer (Gabriele D’Annunzio): Karen Azatyan
Die Freundin (Isadora Duncan): Anna Laudere
Die Rivalin (Sarah Bernhardt): Silvia Azzoni
Ihr Publikum: Marc Jubete
GASTSPIEL:
2020 Venedig
Die Handlung
Teil I
Im Kino. Eleonora Duse erlebt ihren eigenen Film "Cenere". Der junge Soldat Luciano Nicastro begegnet der großen Schauspielerin. Fasziniert verlässt er sie, aber kehrt mit einem Strauß weißer Rosen zurück. Die Rosen und die Nähe des jungen Mannes erinnern Duse an ihre Anfänge.
Durch die Identifikation mit Shakespeares Julia findet Duse zu einer neuen Form des Schauspielens. In ihrem Romeo erkennt sie Luciano. Ihre Erinnerung an die erste Vorstellung als Julia verschmilzt mit Gedanken aus Gegenwart und Vergangenheit. Die Tragödie von Romeo und Julia wird zum Schrecken des Ersten Weltkriegs.
Duse bewundert ihr großes Vorbild und ihre spätere Rivalin Sarah Bernhardt, deren Paraderolle die "Kameliendame" ist. Bernhardts extravagante Art entspricht aber nicht dem Weg und der Vision von Duse als Schauspielerin.
Die Begegnung und Beziehung zu einem Mentor weckt ihre Neugier und ihr Interesse am Wissen und an den großen Dichtern. Arrigo Boito übersetzt Shakespeares "Anthony and Cleopatra" für die Duse.
Ihr Publikum umgibt sie ständig – begeistert, neugierig, aber zudringlich.
Erinnerungen an ihre Freundin Isadora Duncan werden wach. Die berühmte Tänzerin der Moderne verlor ihre beiden Kinder auf tragische Weise und fand bei Duse den einzigen Trost.
Duses Erfolg als Marguerite Gautier macht sie zur weithin berühmten Rivalin von Sarah Bernhardt. Luciano besucht sie – oder ist es nur in ihrer Vorstellung, dass sie in Armand den jungen Soldaten erkennt?
Der große Schriftsteller Gabriele D’Annunzio übt große Faszination auf die Duse aus, intellektuell und erotisch. Eine stürmische Beziehung entsteht – und zerbricht. D’Annunzio ist ein Frauenheld.
Ein Telegramm berichtet, dass Luciano Nicastro im Sterben liegt.
Duse besucht ihn und verabschiedet sich.
Die Bühne ist ihr Trost. Endlose Tourneen erwarten sie. Die treue Désirée begleitet sie. Sie tritt wieder als Schauspielerin auf: in "Die Kameliendame", "Mirandolina", "La Gioconda" und "Die Frau vom Meer". Erinnerungen an die Menschen ihrer Vergangenheit mischen sich mit den Figuren aus ihrem Repertoire.
Ein heftiges Unwetter während ihrer letzten Tournee. Die Schauspielerin stirbt. Tausende Menschen in New York, Neapel und Asolo sind tief getroffen und strömen zu den Trauerfeiern.
Teil II
In einer anderen Welt begegnet Eleonora Duse noch einmal den wichtigsten Männern ihres Lebens.