Navigation schließen
Left
Right


< Repertoire Übersicht

print

Ballett von John Neumeier nach "Eugen Onegin" von Alexander Puschkin

Tatjana

In choreografischen Episoden, abwechselnd zwischen Traum, Erinnerung, Vorahnung und Wirklichkeit, schildert John Neumeiers Ballett "Tatjana" die erste große Liebe eines jungen Mädchens, das auf dem Land aufwächst. Vorbehaltlos öffnet es sich Eugen Onegin, einem beeindruckenden, exzentrischen Jüngling aus der Stadt, der es unmissverständlich abweist. Jahre später ist es umgekehrt: die inzwischen verheiratete Tatjana verschließt sich Onegins Werben. In seinem Ballett entwickelt John Neumeier die Geschichte frei nach Alexander Puschkins 1833 erschienenem Versroman "Eugen Onegin".

John Neumeier führt aus: "Tatjana ist eine Außenseiterin, fremd ihrer Familie und trotz ihrer Verträumtheit wild, ungebändigt und stark in ihrer Vorstellungskraft. Die meiste Zeit lebt sie in der Welt ihrer Träume und Fantasien, angeregt von Romanen, die sie liebt zu lesen. Puschkin beschreibt sie als 'scheu wie das Reh des Walde' – ein Mädchen nahe der Natur. Die andere Hauptfigur, der attraktive, weltlich gewandte Onegin, ist indes weder Held noch Scheusal. Beide tragen sie Züge vielschichtiger Figuren shakespeareschen Typs. Onegin versucht, seinen Weg als Mensch fern von jeglichem Klischee zu gehen, aber unverbindlich – ohne Verpflichtung, Hingabe oder Liebe."

Anders dagegen Tatjana. Ihr Lyrismus ist nicht Ausdruck einer naiven Gesinnung, sondern der Versuch, der prosaischen Welt einen poetischen Schimmer zu verleihen. Tatjanas unerfüllte Liebe zu Onegin ist ein Scheitern im Glanz versunkener Geschichten – Romanfiguren abgeschaut, denen sie sich in ihrer jugendlichen Entfaltung verzaubert anverwandelt hat. Doch erwächst aus ihrem Scheitern Größe. Am Ende lässt sie Onegin ziehen, obwohl sie ihn noch immer liebt und ihm ihre Liebe offen gesteht. "Ihre letzte Auseinandersetzung mit Onegin ist absolut beeindruckend. Tatjanas Reaktion auf sein Ansinnen ist mittendrin durchzogen von einem sehr klar reflektierten Blick auf ihr Leben. Sie denkt zum Beispiel in diesem Moment an die Beziehung zu ihrer Amme und entwirft in ihrer Fantasie einen 'verwilderten Garten', der sie an ihre Kindheit erinnert. Und dann sagt sie, fast nebenbei: 'Ich liebe Sie, warum es verhehlen?' Nachdem sie also über alles andere gesprochen hat, fällt dieser Satz, der Onegin nicht im Unklaren lässt. Diese Stärke besitzt Onegin in keiner einzigen Situation", bemerkt John Neumeier.

Über allem schwebt das Verhängnis des Duells. Die Erfahrung, wie eine Freundschaft durch heftig auflodernde Eifersucht zerbricht, begleitet Onegins weiteres Leben. Die Figur des Zaretsky verkörpert dieses übersteigerte Ehrgefühl. Onegin tötet seinen Freund Lensky, den Bräutigam von Olga, Tatjanas Schwester. Er, der nach Leidenschaft und einer von Neugier entfachten Weltsicht sucht, erschießt Lensky, der jene Passion und gefühlstiefe Sehnsucht bereits in hohem Maße besitzt. Lenskys Tod wird ihn fortan verfolgen.

Für die Musik konnte die russisch-amerikanische Komponistin Lera Auerbach gewonnen werden, mit der John Neumeier wiederholt zusammengearbeitet hat, zuletzt 2007 in der Hamburger Fassung seines Balletts "Die kleine Meerjungfrau".


Musik: Lera Auerbach
Ein Auftragswerk des Hamburg Ballett, der Hamburgischen Staatsoper sowie des Stanislavsky und Nemirovich-Danchenko Musik-Theater Moskau
Choreografie, Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme: John Neumeier

Eine Koproduktion mit dem Stanislavsky und Nemirovich-Danchenko Musik-Theater Moskau.
Unterstützt durch die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper

2 Stunden 45 Minuten | 1 Pause
1. Teil: 85 Minuten, 2. Teil: 55 Minuten

URAUFFÜHRUNG:
Hamburg Ballett, Hamburg, 29. Juni 2014

ORIGINALBESETZUNG:
Tatjana Larina: Hélène Bouchet
Eugen Onegin: Edvin Revazov
Olga Larina: Leslie Heylmann
Vladimir Lenksy: Alexandr Trusch
Prinz N.: Carsten Jung

IM REPERTOIRE:
Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater

[MEHR]
1. AKT

Prolog - Ein Traumgeflecht
Tatjanas wirre Träume verweben sich zu Vorahnungen eines Duells, das von Zaretsky, Symbolfigur eines unausweichlichen Schicksals, verkörpert wird. Erinnerungen an den jungen Komponisten Lensky fließen ein, dessen musikalisches Schaffen von Tatjanas Schwester Olga, seiner Verlobten, Inspiration bezieht. In Tatjanas Traumwelt, umgeben von ihr liebgewonnenen Romanfiguren, erregt eine angsteinflößende, gleichwohl sinnliche Gestalt Tatjanas Aufmerksamkeit.

1. Bild - Ein Tag in Onegins Leben
Im Schlafgemach von Onegins städtischer Wohnung überbringt der Kammerdiener Guillot Einladungen für den Tag. Onegin folgt einer Verabredung im Park, später ist er Gast auf einer Ballgesellschaft. Im Theater besucht er das Ballett "Cleopatra", getanzt von der Ballerina Istomina. Zurück in seiner Wohnung ergreift ihn ein Gefühl der Leere. Er erhält Nachricht vom Tod seines Onkels. Umzug auf dessen Landgut, das Onegin nun erbt.

2. Bild - Lensky und Onegin auf dem Land
Onegins städtische Erscheinung macht auf dem Land Aufsehen. Beeindruckt von Lenskys Hingabe und Leidenschaft freundet sich Onegin mit ihm an.

3. Bild - Bei Larina
Onegin begleitet Lensky zu einem Besuch bei Madame Larina, der Mutter von Tatjana und Olga. Er trifft zum ersten Mal auf Tatjana. Sie ist von seiner außergewöhnlichen Gestalt fasziniert und schlagartig in ihn verliebt. Ihre Amme Filipjevna versucht sie zu beruhigen.

4. Bild - Tatjanas Brief
In einem emotionalen Brief gesteht Tatjana Onegin ihre Liebe. Umgeben von ihren Romanfiguren lässt sie sich beim Schreiben von ihnen leiten. Bevor sie einschläft, sendet sie den Brief an Onegin.

5. Bild - Tatjanas Traum
Tatjana träumt von einer schönen Winterlandschaft. Ein Bär ängstigt und verfolgt sie – schließlich beschützt er sie. In Gestalt eines Vampirs führt Onegin eine Schar Monster an. Tatjana fühlt sich von ihm zugleich angezogen und abgestoßen. Lensky und Olga erscheinen als Brautpaar. Der Vampir erdolcht Lensky.

6. Bild - Tatjanas Namenstag
Tatjana erwacht. Es ist ihr Namenstag. Onegin schenkt ihr ein Buch und tadelt ihre Unbesonnenheit. Er weist Tatjana ab. Später flirtet er mit Olga. Eifersüchtig provoziert Lensky ein Duell mit Onegin.

7. Bild - Das Duell
Zaretsky treibt das Duell zum tragischen Ende. Onegin schießt – Lensky fällt. Die Figuren aus Tatjanas Romanen wirken wie zersplitterte Träume.

2. AKT

Interludium
Unterwegs sucht Onegin nach Sinn und Erfüllung in seinem Leben. Lenskys Schatten verfolgt ihn. Tatjana betritt Onegins leeres Haus. Fasziniert gleitet ihr Blick über seine Bücher. Olga heiratet einen Offizier.

8. Bild - Ein Ball in Sankt Petersburg
Jahre später ist Tatjana die Frau des vermögenden Prinzen N. Während eines Balls in Sankt Petersburg, bei dem auch Olga und ihr Mann anwesend sind, trifft sie plötzlich auf Onegin, der ihrer Erscheinung erliegt. Tatjana erinnert sich an ihr früheres Leben, sie denkt an ihre verstorbene Amme und an ihr Traumbild von Onegin.

9. Bild - Onegins Briefe
Angeregt von der Erinnerung an seinen Freund Lensky gesteht Onegin in mehreren Briefen Tatjana seine Liebe.

10. Bild - Letzte Begegnung
Tatjana liest Onegins Briefe immer wieder. Sie liebt ihn noch immer. Er sucht sie auf. Tatjana offenbart ihre Liebe – aber entsagt sich ihm zum Abschied.

top
powered by webEdition CMS