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Ballett von John Neumeier

Songfest

Zyklus amerikanischer Gedichte für sechs Sänger und Orchester

Amerika - Der große Widerspruch
von Leonard Bernstein
Ich schrieb dieses Werk zu Ehren der Zweihundert-Jahr-Feier Amerikas im Jahre neunzehnhundertundsechsundsiebzig, nicht so sehr um die Glorie meines Vaterlandes zu verherrlichen, sondern die seiner Künstler, vor allem seiner Dichter. Dieser Zyklus mit seinen zwölf "Songs" ist eine Vertonung von amerikanischen Gedichten, die mehr als dreihundert Jahre amerikanischen Lebens umspannen, so enthüllt er natürlich einige unserer Schattenseiten, wie auch unsere euphorischeren Eigenschaften. Aber "Songfest" ist und bleibt ein festliches Ereignis. Ich wünsche mir, dass Sie diese Songs als festlich im wahrsten Sinne des Wortes empfinden - seien sie nun fröhlich, nachdenklich, traurig oder sogar bitter. Sie alle vereinigen sich, um das spezifisch amerikanische Kunsterlebnis festlich zu begehen.


Musik: Leonard Bernstein
Choreografie, Bühnenbild und Kostüme: John Neumeier

URAUFFÜHRUNG:
Hamburg Ballett, Hamburg, 22. Dezember 1979

ORIGINALBESETZUNG:
Marianne Kruuse
Beatrice Cordua
Persephone Samaropoulo
Judith Carlson

Ivan Liska
Roy Wierzbicki
Ronald Darden
Mark Diamond
Jean-Christophe Maillot
Karel Vandeweghe
Pascal Le Royer

[MEHR]
"Songfest" und "Das Zeitalter der Angst"
John Neumeier über seine Bernstein-Ballette

Genau wie Bernstein von seinem spontanen Inspiriertsein beim Lesen von W. H. Audens "The Age of Anxiety" berichtet, ging es mir beim Hören seiner Vertonung dieses Gedichts: als ich diese zweite Sinfonie zum erstenmal hörte, fesselte sie mich sogleich als ein unbedingt zu choreografierendes Werk. Später - bei Bernsteins Besuch in Hamburg, um die "West Side Story" zu sehen - kam die Idee, seinen neu entstandenen Liederzyklus "Songfest" mit "Age" für einen Bernstein-Ballettabend zu kombinieren. Diese zwei Stücke sind meiner Ansicht nach perfekte Pendants - ein amerikanischer Komponist befasst sich in zwei großen Werken mit amerikanischen Dichtungen, und all dies nun choreografisch realisiert von einem Amerikaner.
Choreografen haben sich über Jahrhunderte immer wieder von Gedichten inspirieren lassen. Dabei geht es bei den gelungensten dieser Ballette nicht darum, das Gedicht in seiner Gesamtheit "nach-zu-choreografieren", zu illustrieren, jede einzelne Idee in Bewegung wiederzugeben, sondern darum, sich von der starken Kraft der poetischen Vision oder von einzelnen Wortbildern inspirieren zu lassen. Wie Poesie im Wort, so spricht Tanz im Menschen Metaphern! Gedichte sind ähnlich wie Choreografie: die besten sagen das aus, was man nicht in Prosa oder Schauspiel ausdrücken kann. Darum wäre es eigentlich überflüssig, für diesen Abend eine Inhaltsangabe zu schreiben, denn das Wesentliche an beiden Balletten sowie an den Gedichten und Musikstücken ist sicherlich nicht ihre nacherzählbare Handlung.
Trotzdem ein paar Stichworte zur Gesamtform des Ballettabends. Jedes der beiden Ballette hat einen bestimmten, wenn auch eher symbolisch gemeinten Spielort sowie eine Tageszeit, in der es abläuft: "Songfest" findet im Park statt, im Freien, unter einem Baum, der Amerika bedeuten könnte; es beginnt am frühen Morgen und endet nachts. "The Age of Anxiety" spielt in einer Bar, beginnt nachts und endet am nächsten Morgen - im selben Park.
"Songfest" versucht, jedem der Gedichte ein formell choreografisches Bild zu geben, das nicht nur das Problem oder die Situation des spezifischen Gedichts berücksichtigen, sondern auch die besondere Welt eines jeden Dichters in Tanz umsetzen soll. Eine Essenz sozusagen - natürlich subjektiv gesehen. Die choreografische Sprache ist amerikanisch, die Beziehungen und Grundprobleme sind allgemein menschlich.

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